Liebeslandkarte: Die verschiedenen Arten der Liebe erklärt

"Ich liebe dich" – drei Worte, unzählige Bedeutungen. Wir alle kennen das Gefühl der Liebe, und doch erlebt jeder von uns sie anders. Manchmal ist es ein loderndes Feuer, das uns den Schlaf raubt, ein andermal eine tiefe Verbundenheit, die uns Halt gibt. Liebe kann uns in einen Rausch versetzen oder uns die Ruhe eines Zuhauseseins schenken. Warum fühlt sich Liebe so unterschiedlich an, selbst zum gleichen Menschen – und warum lieben wir unterschiedliche Menschen auf so verschiedene Weise?

Die Alltagssprache stößt hier schnell an ihre Grenzen. Wenn wir sagen "Ich liebe dich", kann das die leidenschaftliche Anziehung einer neuen Beziehung beschreiben, die tiefe Verbundenheit nach Jahrzehnten des gemeinsamen Lebens oder eine Mischung aus beidem mit vielen Facetten dazwischen. Um diese Komplexität zu erfassen, haben Wissenschaftler verschiedene Modelle entwickelt, die uns helfen, die Vielschichtigkeit der Liebe zu verstehen.

Dieser Artikel bietet Ihnen eine "Liebeslandkarte" – einen wissenschaftlich fundierten Orientierungsrahmen, der Ihnen hilft, Ihre eigenen Liebeserfahrungen einzuordnen und zu reflektieren. Wir werden verschiedene psychologische Modelle vorstellen, mit besonderem Fokus auf Robert Sternbergs einflussreiche Dreieckstheorie der Liebe. Diese Theorie hilft uns zu verstehen, warum manche Beziehungen vor Leidenschaft brennen, während andere durch tiefe Freundschaft geprägt sind, und warum einige alle Dimensionen der Liebe vereinen.

Lassen Sie uns gemeinsam diese Landkarte erkunden und entdecken, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse uns helfen können, die vielleicht wichtigste menschliche Erfahrung besser zu verstehen: die Liebe in all ihren Facetten.

Inhaltsübersicht

Die Dreieckstheorie der Liebe nach Sternberg

Robert Sternberg, ein renommierter Psychologe, entwickelte in den 1980er Jahren seine "Triangular Theory of Love" (Dreieckstheorie der Liebe), die bis heute eines der einflussreichsten wissenschaftlichen Modelle zum Verständnis verschiedener Liebesarten darstellt. Nach Sternberg basiert Liebe auf drei grundlegenden Komponenten, die in unterschiedlichen Kombinationen und Intensitäten auftreten können:

Die drei Grundkomponenten

Intimität bildet die emotionale Verbindung in einer Beziehung. Sie umfasst Gefühle von Nähe, Verbundenheit und Wärme. Wenn Sie Ihrem Partner von Ihren tiefsten Ängsten erzählen, gemeinsam über ein persönliches Erlebnis lachen oder sich in schwierigen Zeiten verstanden fühlen – all das sind Ausdrucksformen von Intimität. Diese Komponente entwickelt sich typischerweise langsam durch gemeinsame Erlebnisse, tiefe Gespräche und emotionales Verständnis.

Leidenschaft steht für die körperliche Anziehung und das romantische Verlangen. Es ist jenes Kribbeln im Bauch, wenn Sie an die andere Person denken, der Wunsch nach körperlicher Nähe und das Gefühl der Erregung in ihrer Gegenwart. Leidenschaft entflammt oft schnell und intensiv, kann aber ohne die anderen Komponenten mit der Zeit verblassen.

Bindung (oder Commitment) repräsentiert die bewusste Entscheidung, die Liebe aufrechtzuerhalten und die Beziehung zu pflegen. Es ist das Versprechen, auch in schwierigen Zeiten zusammenzubleiben, und die langfristige Perspektive auf die gemeinsame Zukunft. Während Intimität und Leidenschaft stark gefühlsbasiert sind, hat Bindung auch eine kognitive Komponente – sie ist eine bewusste Wahl.

"Vollkommene Liebe vereint Intimität, Leidenschaft und Bindung - ist aber kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches Gleichgewicht, das aktive Pflege erfordert."

Die sieben Arten der Liebe nach Sternberg

Aus den Kombinationen dieser drei Grundkomponenten ergeben sich sieben verschiedene Arten der Liebe sowie ein Zustand der "Nicht-Liebe":

  1. Mögen/Sympathie (nur Intimität): Wenn nur Intimität vorhanden ist, entsteht eine tiefe Freundschaft oder Sympathie. Sie fühlen sich der Person nahe und verbunden, aber es fehlt sowohl an romantischem Verlangen als auch an langfristiger Bindung. Viele enge Freundschaften fallen in diese Kategorie.

    Beispiel: Marie und Thomas kennen sich seit dem Studium. Sie teilen persönliche Gedanken, unterstützen sich bei Krisen und fühlen sich emotional verbunden, ohne romantische Gefühle füreinander zu hegen.

  2. Verliebtheit (nur Leidenschaft): Hier dominiert die körperliche und romantische Anziehung ohne tiefere emotionale Verbindung oder Zukunftsperspektive. Dies entspricht oft dem sprichwörtlichen "Verliebtsein auf den ersten Blick" oder einer intensiven, aber oberflächlichen Schwärmerei.

    Beispiel: Markus ist fasziniert von der neuen Kollegin. Er spürt ein starkes Verlangen, Zeit mit ihr zu verbringen, kennt sie aber kaum auf einer persönlichen Ebene und denkt nicht über eine gemeinsame Zukunft nach.

  3. Leere Liebe (nur Bindung): Wenn nur die Bindungskomponente verbleibt, entsteht eine Beziehung, in der das Paar aus Verpflichtung oder Gewohnheit zusammenbleibt, ohne emotionale Nähe oder Leidenschaft zu empfinden. Dies kann in langjährigen Beziehungen auftreten, in denen die anderen Komponenten vernachlässigt wurden.

    Beispiel: Nach 30 Jahren Ehe führen Claudia und Werner ein Leben als Team. Sie sorgen füreinander und bleiben zusammen, aber emotionale Gespräche und körperliche Intimität sind selten geworden.

  4. Romantische Liebe (Intimität + Leidenschaft): Diese Kombination vereint emotionale Tiefe mit körperlicher Anziehung, fehlt jedoch das langfristige Engagement. Viele Liebesromane und Filme idealisieren diese Form der Liebe – intensiv und erfüllend, aber ohne die Stabilität einer langfristigen Bindung.

    Beispiel: Sarah und David erleben eine tiefe Verbindung, teilen intime Gedanken und fühlen sich stark zueinander hingezogen. Doch beide zögern, langfristige Pläne zu machen oder feste Zusagen zu geben.

  5. Kameradschaftliche Liebe (Intimität + Bindung): Eine tiefe, langfristige Verbindung mit emotionaler Nähe, aber ohne starke Leidenschaft. Diese Form findet sich oft in langjährigen Ehen, in denen die anfängliche Leidenschaft einer tiefen Freundschaft und Verbundenheit gewichen ist.

    Beispiel: Jana und Michael sind seit 15 Jahren verheiratet. Sie teilen alles miteinander, verstehen sich blind und planen ihr Leben gemeinsam. Die sexuelle Anziehung spielt eine untergeordnete Rolle, während gegenseitiges Vertrauen und Verständnis die Beziehung prägen.

  6. Törichte Liebe (Leidenschaft + Bindung): Diese Kombination beschreibt eine schnell entstehende, leidenschaftliche Verbindung, bei der sich die Partner schnell auf ein Commitment einlassen, ohne eine tiefe emotionale Intimität entwickelt zu haben.

    Beispiel: Nach nur sechs Wochen intensiver Dates entscheiden sich Lena und Ben zusammenzuziehen. Die körperliche Chemie ist überwältigend, und beide sind überzeugt, für immer zusammenbleiben zu wollen, obwohl sie kaum persönliche Geschichten oder Ängste geteilt haben.

  7. Vollkommene Liebe (Intimität + Leidenschaft + Bindung): Die Kombination aller drei Komponenten stellt für viele das Ideal einer erfüllten Liebesbeziehung dar. Partner fühlen sich emotional verbunden, körperlich angezogen und verpflichten sich langfristig füreinander.

    Beispiel: Anna und Stefan sind seit sieben Jahren ein Paar. Sie pflegen eine tiefe emotionale Verbindung, fühlen sich nach wie vor körperlich zueinander hingezogen und haben gemeinsam Höhen und Tiefen durchlebt. Ihre Beziehung ist von gegenseitigem Vertrauen, Leidenschaft und dem Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft geprägt.

  8. Nicht-Liebe (keine der Komponenten): Fehlen alle drei Komponenten, handelt es sich um neutrale oder beiläufige Interaktionen ohne tiefere emotionale Bedeutung.

Sternbergs Modell wurde in zahlreichen Studien validiert und findet weltweit Anwendung in der Beratung und Therapie. Die Stärke dieses Ansatzes liegt in seiner Fähigkeit, die Vielschichtigkeit der Liebe zu erfassen und einem diffusen Gefühl eine Struktur zu geben. Es hilft uns zu verstehen, dass verschiedene Liebesformen ihre eigenen Qualitäten haben und dass keine Form per se "besser" ist als eine andere – entscheidend ist die Übereinstimmung der Partner in ihren Erwartungen und Bedürfnissen.


Alternative Modelle und Perspektiven

Neben Sternbergs Dreieckstheorie existieren weitere wissenschaftliche Modelle, die unterschiedliche Aspekte der Liebe beleuchten und unser Verständnis dieses komplexen Phänomens erweitern.

Lee's "Farben der Liebe"

Der kanadische Soziologe John Alan Lee entwickelte in den 1970er Jahren eine differenzierte Typologie mit sechs "Liebesstilen", die er in Anlehnung an das Farbspektrum als "Farben der Liebe" bezeichnete:

  • Eros (romantische, leidenschaftliche Liebe): Starke körperliche Anziehung und emotionale Intensität

  • Ludus (spielerische Liebe): Unverbindliches, genussbetontes Liebesspiel ohne tiefere Bindung

  • Storge (freundschaftliche Liebe): Langsam wachsende Zuneigung basierend auf Vertrautheit und gemeinsamen Interessen

  • Pragma (pragmatische Liebe): Rationale, praktische Herangehensweise an Partnerwahl und Beziehung

  • Mania (besitzergreifende Liebe): Intensive, obsessive Liebe mit starken Eifersuchtsgefühlen und emotionalen Höhen und Tiefen

  • Agape (selbstlose, gebende Liebe): Altruistische Liebe, die das Wohl des Partners über die eigenen Bedürfnisse stellt

Lees Modell ergänzt Sternbergs Ansatz, indem es nicht nur die Struktur, sondern auch den "Stil" der Liebe betrachtet und damit weitere Facetten unserer Liebeserfahrungen beschreibt.

Leidenschaftliche vs. kameradschaftliche Liebe

Elaine Hatfield und Ellen Berscheid, zwei Pionierinnen der wissenschaftlichen Liebesforschung, unterscheiden zwischen zwei grundlegenden Formen der Liebe:

  • Leidenschaftliche Liebe: Ein Zustand intensiver Sehnsucht nach Vereinigung mit einer anderen Person, geprägt von kognitiven (intrusive Gedanken), emotionalen (Anziehung, Sehnsucht) und verhaltensbezogenen Komponenten. Diese Form ist typisch für frühe Beziehungsphasen und biochemisch mit dem Neurotransmitter Dopamin verbunden.

  • Kameradschaftliche Liebe: Eine tiefe Zuneigung für Menschen, mit denen unser Leben eng verwoben ist. Sie wird oft als "stetig brennendes Feuer" beschrieben und ist mit Oxytocin und Vasopressin assoziiert, Hormonen, die Bindung und Vertrauen fördern.

Diese Unterscheidung findet sich auch in neueren neurobiologischen Studien wieder, die zeigen, dass unterschiedliche Gehirnsysteme und Neurotransmitter an verschiedenen Liebesformen beteiligt sind.

Kulturübergreifende Perspektiven

Die wissenschaftliche Forschung zeigt, dass während Liebe ein nahezu universelles menschliches Phänomen ist, ihre Wahrnehmung, ihr Ausdruck und ihre Bedeutung kulturell variieren können:

  • In individualistischen Kulturen (wie in Nordamerika und Westeuropa) wird romantische Liebe oft als primäre Grundlage für die Ehe betrachtet, mit starker Betonung auf Leidenschaft und individuelle Erfüllung.

  • In kollektivistischen Kulturen (wie in Teilen Asiens) können familiäre Harmonie und soziale Anerkennung oft wichtiger sein als individuelle romantische Präferenzen. Hier entwickelt sich die Liebe häufig nach der Heirat, die auf gemeinsamen Werten und Kompatibilität basiert.

Diese kulturellen Unterschiede erinnern uns daran, dass wissenschaftliche Modelle der Liebe, so hilfreich sie auch sein mögen, immer in einem kulturellen Kontext interpretiert werden müssen.

"Die Wissenschaft zeigt: Es gibt nicht 'die eine' richtige Art zu lieben. Verschiedene Liebesformen können in unterschiedlichen Lebensphasen und Beziehungen wertvoll sein."


Die Dynamik der Liebe - Veränderung über Zeit

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Liebesforschung ist, dass Liebe kein statischer Zustand ist, sondern sich im Laufe einer Beziehung kontinuierlich entwickelt und verändert. Sternbergs Modell eignet sich hervorragend, um diese Dynamik zu beschreiben.

Typische Entwicklungsmuster im Sternberg-Dreieck

In vielen Beziehungen lassen sich charakteristische Veränderungen der Liebeskomponenten beobachten:

Von romantischer zu kameradschaftlicher Liebe: Häufig beginnen Beziehungen mit einer Kombination aus Intimität und Leidenschaft. Mit der Zeit entwickelt sich eine stärkere Bindungskomponente, während die Intensität der Leidenschaft nachlassen kann. So wandelt sich eine romantische Liebe (Intimität + Leidenschaft) oft in eine kameradschaftliche Liebe (Intimität + Bindung) oder im Idealfall in eine vollkommene Liebe, wenn alle drei Komponenten erhalten bleiben.

Vom Fehlen zur Entwicklung von Commitment: Besonders bei jüngeren Menschen oder in der frühen Phase einer Beziehung kann die Bindungskomponente zunächst schwach ausgeprägt sein. Die Verliebtheit (Leidenschaft) kann durch zunehmende Intimität zu romantischer Liebe werden und schließlich, wenn sich beide Partner füreinander entscheiden, in vollkommene Liebe übergehen.

Der Weg zur vollkommenen Liebe ist selten linear. Vielmehr durchlaufen Paare verschiedene Phasen, in denen unterschiedliche Komponenten stärker oder schwächer ausgeprägt sein können. Neurobiologische Studien stützen diese Beobachtung: In frühen Beziehungsphasen dominieren oft Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin, die mit Aufregung und Leidenschaft verbunden sind, während in langfristigen Beziehungen vermehrt Bindungshormone wie Oxytocin und Vasopressin eine Rolle spielen.

Die gute Nachricht aus der Forschung: Entgegen der populären Annahme, dass Leidenschaft unweigerlich nachlassen muss, zeigen Studien, dass auch in langjährigen Beziehungen alle drei Komponenten – einschließlich der Leidenschaft – auf hohem Niveau erhalten bleiben können. Dieser Zustand der "langfristigen intensiven romantischen Liebe" unterscheidet sich von der obsessiven Frühphase und vereint die Intensität der Leidenschaft mit der Sicherheit einer tiefen Bindung.

Die Rolle bewusster Entscheidungen

Ein wichtiger Aspekt, den Sternbergs Modell betont, ist die aktive Rolle, die wir in unseren Liebesbeziehungen spielen können. Besonders die Bindungskomponente beinhaltet bewusste Entscheidungen:

  • Die Entscheidung, in der Beziehung zu bleiben, auch wenn Herausforderungen auftreten

  • Die aktive Pflege der Intimität durch offene Kommunikation und gemeinsame Erlebnisse

  • Das Schaffen von Raum für Leidenschaft durch bewusste Aufmerksamkeit und neue Erfahrungen

Diese aktive Beziehungsgestaltung wird durch wissenschaftliche Studien gestützt, die zeigen, dass erfolgreiche Paare bestimmte Erhaltungsstrategien anwenden, darunter Positivität, Offenheit, Zusicherungen, die Einbeziehung sozialer Netzwerke und das faire Teilen von Aufgaben.

Fallbeispiel: Die Entwicklung einer Liebesbeziehung

Julia und Martin lernten sich vor acht Jahren auf einer Party kennen. Die anfängliche Anziehung (Leidenschaft) war stark, und sie verbrachten jede freie Minute miteinander. Innerhalb weniger Monate entwickelte sich eine tiefe emotionale Verbindung (Intimität). Ihre Liebe war in dieser Phase vorwiegend romantisch (Intimität + Leidenschaft).

Nach etwa zwei Jahren entschieden sie sich, zusammenzuziehen und langfristige Pläne zu schmieden. Die Bindungskomponente wurde stärker, und ihre Beziehung entwickelte sich zu einer vollkommenen Liebe (alle drei Komponenten). In den folgenden Jahren durchliefen sie verschiedene Phasen – während stressiger Karrierephasen litt manchmal die Leidenschaft, in einer Kommunikationskrise war die Intimität beeinträchtigt.

Heute, nach acht Jahren, haben sie ein Gleichgewicht gefunden, in dem alle drei Komponenten präsent sind, wenn auch in anderer Form als zu Beginn. Die Leidenschaft ist weniger überwältigend, aber tiefer. Die Intimität umfasst nun auch schwierige gemeinsame Erfahrungen, und ihre Bindung ist durch bewusste Entscheidungen für die Beziehung gefestigt.


Praktische Anwendung - Die eigene Liebe verstehen

Die wissenschaftlichen Modelle der Liebe sind mehr als theoretische Konstrukte – sie können uns helfen, unsere eigenen Beziehungen besser zu verstehen und bewusster zu gestalten.

Selbstreflexion: Die eigene Liebeserfahrung verorten

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um über Ihre aktuelle oder letzte Beziehung nachzudenken:

  • Welche der drei Komponenten nach Sternberg empfinden Sie am stärksten?

  • Gibt es Komponenten, die Sie vermissen oder die sich verändert haben?

  • Wie würden Sie die Art Ihrer Liebe im Sternberg-Modell beschreiben?

Diese Reflexion kann wertvolle Erkenntnisse liefern und auch dabei helfen, unrealistische Erwartungen zu erkennen. Nicht jede Beziehung muss alle drei Komponenten in gleicher Stärke aufweisen, um wertvoll und erfüllend zu sein.

Partnerschaftliche Übereinstimmung

Eine besondere Herausforderung entsteht, wenn Partner unterschiedliche Liebesarten leben oder erwarten. Wenn beispielsweise:

  • Eine Person eine romantische Liebe (Intimität + Leidenschaft) erlebt und erwartet, während die andere eine kameradschaftliche Liebe (Intimität + Bindung) sucht

  • Ein Partner nach vollkommener Liebe strebt, während der andere mit einer reinen Freundschaft plus (Intimität) zufrieden ist

  • Die Leidenschaft für eine Person zentral ist, während sie für die andere nebensächlich erscheint

"Laut Sternberg kann eine Beziehung auch ohne alle drei Komponenten funktionieren - entscheidend ist, dass beide Partner ähnliche Erwartungen haben und mit der Art ihrer Verbindung zufrieden sind."

Solche Unterschiede sind nicht ungewöhnlich und müssen nicht zum Scheitern führen. Entscheidend ist die offene Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen. Oft können Partner gemeinsam daran arbeiten, unterrepräsentierte Komponenten zu stärken.

Kommunikation über Liebeskomponenten

Über Liebeskomponenten zu sprechen, kann zunächst ungewohnt erscheinen, aber das wissenschaftliche Modell bietet eine gemeinsame Sprache:

  • Statt zu sagen "Du liebst mich nicht genug", könnte es hilfreicher sein zu formulieren: "Ich wünsche mir mehr Intimität durch tiefere Gespräche" oder "Ich vermisse leidenschaftliche Momente zwischen uns"

  • Anstelle von vagen Erwartungen können konkrete Wünsche geäußert werden: "Mir ist es wichtig, dass wir langfristige Pläne machen können" (Bindung) oder "Ich brauche mehr Momente, in denen wir uns emotional nahe fühlen" (Intimität)

Diese präzisere Sprache hilft, Missverständnisse zu vermeiden und konkrete Schritte zur Beziehungspflege zu identifizieren.

Wachstumsperspektiven

Die Forschung zeigt, dass alle Komponenten der Liebe aktiv gepflegt und gestärkt werden können:

Für mehr Intimität:

  • Regelmäßige tiefgehende Gespräche über Gedanken, Gefühle und Erlebnisse

  • Gemeinsame Aktivitäten, die emotionale Verbindung fördern

  • Aktives Zuhören und Empathie für die Erfahrungen des Partners

Für mehr Leidenschaft:

  • Schaffung von Neuheiten und gemeinsamen Abenteuern

  • Bewusstes Pflegen von Romantik und erotischen Elementen

  • Raum für Spannung durch gelegentliche Distanz und Überraschungen

Für mehr Bindung:

  • Offene Gespräche über gemeinsame Zukunftsvorstellungen

  • Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit im Alltag demonstrieren

  • Gemeinsame Werte und Ziele identifizieren und stärken


Fazit: Die persönliche Liebeslandkarte

Die wissenschaftlichen Modelle der Liebe, insbesondere Sternbergs Dreieckstheorie, bieten uns eine wertvolle Landkarte, um die vielfältigen Erscheinungsformen der Liebe besser zu verstehen. Sie helfen uns zu erkennen, dass Liebe nicht einfach ein einheitliches Gefühl ist, sondern ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Komponenten, die sich im Laufe der Zeit und in verschiedenen Beziehungen unterschiedlich manifestieren können.

Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Liebe besteht aus unterschiedlichen Komponenten (Intimität, Leidenschaft, Bindung), die in verschiedenen Kombinationen auftreten können.

  2. Keine Liebesart ist per se "besser" oder "richtiger" als eine andere – entscheidend ist die Übereinstimmung der Partner und die eigene Zufriedenheit.

  3. Liebe ist dynamisch und verändert sich im Laufe einer Beziehung, wobei typische Entwicklungsmuster erkennbar sind.

  4. Alle Komponenten der Liebe können aktiv gepflegt und gestärkt werden.

  5. Das Verständnis der verschiedenen Liebesarten kann die Kommunikation in Beziehungen verbessern und realistische Erwartungen fördern.

Trotz der wertvollen Orientierung, die wissenschaftliche Modelle bieten, bleibt die Liebe letztlich eine zutiefst persönliche Erfahrung. Die "Liebeslandkarte" kann uns helfen zu navigieren, aber jeder Mensch und jede Beziehung zeichnet letztlich ihren eigenen, einzigartigen Weg.

Die Forschung zu romantischen Beziehungen entwickelt sich ständig weiter. Aktuelle Studien untersuchen etwa, wie moderne Technologien unsere Liebesbeziehungen verändern, wie kulturelle Unterschiede unsere Liebeserfahrungen prägen und wie neurobiologische Prozesse mit psychologischen Erfahrungen zusammenwirken. Diese fortlaufenden Erkenntnisse werden unser Verständnis der Liebe weiter vertiefen und verfeinern.

Letztendlich ist das wissenschaftliche Verständnis der Liebe kein Ersatz für das Erleben, sondern eine Bereicherung – ein Kompass, der uns hilft, bewusster zu lieben und geliebt zu werden.


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LemonSwan Team
Zuletzt aktualisiert: vor 22 Stunden Veröffentlicht: vor 3 Tagen

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