Digitale Liebesgeschichten: Was die Wissenschaft über Online-Dating weiß

Was vor zwanzig Jahren noch häufig mit einem entschuldigenden Lächeln oder gar heimlich eingestanden wurde, ist heute eine Selbstverständlichkeit: Die Online-Partnersuche ist zum Mainstream geworden. Aktuelle Zahlen sprechen eine deutliche Sprache – 21% aller Paare in Deutschland haben sich 2024 über Dating-Apps oder das Internet kennengelernt, womit Online-Dating erstmals zur häufigsten Art des Kennenlernens geworden ist. 53% der deutschen Internet-Nutzer haben bereits Erfahrung mit digitaler Partnersuche gemacht. Das Smartphone hat den Ort der romantischen Begegnung vom Hörsaal, Arbeitsplatz oder der Kneipe in die virtuelle Welt verlagert.

Die anfängliche Skepsis gegenüber digitalen Beziehungsanbahnungen – "Das kann doch nicht funktionieren", "Da sind doch nur Verzweifelte" – ist einer pragmatischen Akzeptanz gewichen. Doch was wissen wir tatsächlich über dieses Phänomen? Jenseits von Marketingversprechen der Plattformbetreiber, jenseits auch von hartnäckigen Mythen und subjektiven Erfahrungsberichten: Was sagt die Wissenschaft über Online-Dating? Sind digital initiierte Beziehungen tatsächlich anders als "analog" entstandene? Und welche evidenzbasierten Strategien verbessern die Chancen, im digitalen Raum eine erfüllende Partnerschaft zu finden?

In diesem Artikel beleuchten wir den aktuellen Stand der Forschung – von der Neurobiologie der digitalen Anziehung über die Qualität von Online-Beziehungen bis hin zu wissenschaftlich fundierten Erfolgsstrategien für die digitale Partnersuche.

Inhaltsübersicht

Von der Kontaktanzeige zum Algorithmus: Die Evolution des digitalen Dating-Marktes

Eine kurze Geschichte der digitalen Liebe

Die Idee, Technologie für die Partnersuche zu nutzen, ist älter als man denken könnte. Bereits 1965 entwickelten die Harvard-Studenten Jeff Tarr und Vaughan Morrill "Operation Match", einen computergestützten Dienst, der mittels Fragebogen und Lochkarten potenzielle Partner zusammenbrachte. Die eigentliche Revolution begann jedoch in den 1990er Jahren mit den ersten Online-Dating-Websites. Was anfangs als digitale Variante der Zeitungskontaktanzeige begann, entwickelte sich mit steigender Internetnutzung und später der Smartphone-Verbreitung zu einem milliardenschweren Markt mit enormer gesellschaftlicher Bedeutung.

Die Evolution des Online-Datings lässt sich in drei wesentliche Phasen einteilen:

  1. Die Pionierphase (1995-2005): Plattformen wie Match.com etablierten das Konzept des webbasierten Profilabgleichs. Nutzer erstellten ausführliche Profile und durchsuchten aktiv die Datenbank nach potenziellen Partnern.

  2. Die Algorithmus-Ära (2005-2012): Dienste wie eHarmony begannen, komplexe psychologische Fragebögen und proprietäre Matching-Algorithmen einzusetzen, die auf Persönlichkeitsmerkmalen und Präferenzen basierten.

  3. Die Mobile Revolution (seit 2012): Mit der Einführung von Tinder und ähnlichen Apps wurde das mobile, standortbasierte und vereinfachte "Swipe"-Modell dominant. Das Smartphone demokratisierte und beschleunigte das Online-Dating erheblich.

Interessanterweise ist die Plattform-Landschaft in Deutschland 2024/2025 vielfältiger geworden. Während Hinge die Liste der beliebtesten Dating-Apps anführt, zeigt sich eine klare Differenzierung zwischen verschiedenen Nutzergruppen. Jüngere Nutzer (16-29 Jahre) bevorzugen Dating-Apps (61% Nutzungsrate), während die 30-49-Jährigen sowohl Apps (44%) als auch Partnervermittlungsplattformen (41%) nutzen. Bei den über 50-Jährigen dominieren Partnervermittlungen.

Die wesentlichen Plattform-Kategorien, die sich heute am Markt etabliert haben:

  • Casual-orientierte Plattformen: Fokus auf kurzfristige Begegnungen, schnelle Entscheidungsprozesse, oft auf äußere Attribute konzentriert

  • Nischenplattformen: Spezialisiert auf bestimmte Interessengruppen, Religionen, Lebensstile oder demographische Merkmale

  • Hybridplattformen: Kombinieren Elemente verschiedener Ansätze und erlauben unterschiedliche Nutzungsabsichten

"Online-Dating hat sich von einer stigmatisierten Aktivität zu einer der häufigsten Arten entwickelt, wie Individuen Beziehungen knüpfen, möglicherweise aufgrund der nachlassenden Stigmata rund um Dating-Anwendungen."

Der demografische Wandel: Wer nutzt Online-Dating heute?

Die Wissenschaft zeichnet ein klares Bild: Online-Dating ist längst nicht mehr das Refugium einer spezifischen Gruppe, sondern spiegelt die gesamte Breite der Gesellschaft wider. Aktuelle Studien zeigen:

  • Die Altersgruppe der 25-34-Jährigen stellt zwar nach wie vor die größte Nutzergruppe dar (50% haben bereits Dating-Apps genutzt), aber alle Alterssegmente verzeichnen Wachstum. Bemerkenswert ist die Aufgeschlossenheit aller Generationen: 38% der 30-49-Jährigen und sogar 15% der über 55-Jährigen haben bereits Dating-Apps verwendet. Bei den über 60-Jährigen nutzt jeder Fünfte Online-Partnervermittlungen.

Bemerkenswert ist vor allem die Normalisierung der Online-Partnersuche über alle demografischen Gruppen hinweg. Der einst vorherrschende "Stigma-Discount" – die Annahme, dass Online-Dating vor allem von Menschen genutzt wird, die analog weniger erfolgreich sind – ist wissenschaftlich widerlegt. Vielmehr zeigt sich, dass die Effizienz und Zugänglichkeit digitaler Plattformen Menschen aller sozialen Gruppen anspricht.


Digital angebahnte Beziehungen: Was die Forschung sagt

Eine der häufigsten Fragen: Sind Beziehungen, die online beginnen, qualitativ anders als solche, die sich traditionell entwickeln? Die Forschungslage hierzu ist mittlerweile erstaunlich klar.

Metastudien zur Beziehungsqualität: Online vs. Offline

Eine wegweisende Studie von Acevedo und Aron aus dem Jahr 2009, die 25 Studien überprüfte, ergab, dass romantische Liebe (definiert als Intensität, Engagement, sexuelle Chemie, abzüglich Obsession) ein Leben lang andauern kann und sowohl in kurz- als auch in langfristigen Beziehungen mit größerer Zufriedenheit verbunden ist. Diese Erkenntnis gilt unabhängig davon, ob die Beziehung online oder offline begann.

Neuere Untersuchungen bestätigen diesen Befund. Eine aktuelle Übersichtsstudie deutet darauf hin, dass es keinen signifikanten Unterschied in der Beziehungsqualität (Zufriedenheit, Intimität, Vertrauen, Engagement, Leidenschaft) bei Paaren gibt, die sich online im Vergleich zu persönlich kennengelernt haben. Diese Erkenntnisse stellen frühere Annahmen in Frage, dass Online-Dating zu weniger authentischen oder qualitativ schlechteren Beziehungen führt.

Interessanterweise finden einige Studien sogar leichte Vorteile für online initiierte Beziehungen:

  • Höhere anfängliche Zufriedenheitswerte

  • Geringfügig niedrigere Trennungsraten in den ersten Jahren

  • Oft ein breiteres Spektrum an potenziellen Partnern, die man sonst nicht getroffen hätte

Die Forschung legt nahe, dass nicht der Ort des Kennenlernens, sondern die Kompatibilität, Kommunikationsfähigkeit und gegenseitige Investition in die Beziehung die entscheidenden Faktoren für den Erfolg sind.

Das "Paradox der Wahl": Ein Mythos?

Eine häufig geäußerte Kritik am Online-Dating ist die Annahme, dass die scheinbar endlose Auswahl an potenziellen Partnern zu Unzufriedenheit, Entscheidungsparalyse oder einer "Immer-auf-der-Suche-nach-etwas-Besserem"-Mentalität führt. Doch die empirische Forschung zeichnet ein differenzierteres Bild.

Tatsächlich können Technologien (wie SMS, FaceTime, soziale Medien) Paaren helfen, sich verbunden zu fühlen, insbesondere über große Entfernungen. Häufige Kommunikation kann Idealisierung und Zufriedenheit steigern. Die Beziehungen in sozialen Medien "offiziell" zu machen, ist mit höherer Zufriedenheit und geringeren Trennungsraten verbunden.

Die Wissenschaft zeigt, dass erfolgreiche Online-Dater typischerweise:

  • Klare Kriterien für potenzielle Partner entwickeln

  • Ihre Suche aktiv eingrenzen statt endlos zu browsen

  • Bewusst zwischen Quantität und Qualität der Interaktionen abwägen

  • Frühzeitig von der digitalen zur persönlichen Kommunikation übergehen

Eine interessante Erkenntnis: Menschen, die bei der Online-Partnersuche erfolgreich sind, nutzen die Technologie bewusst als Werkzeug mit klaren Grenzen, nicht als Selbstzweck oder ständige Option.

Die neurobiologische Dimension: Wie unser Gehirn auf digitale Begegnungen reagiert

Die Neurobiologie der Liebe ist faszinierend – und funktioniert auch im digitalen Kontext. Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)-Studien zeigen konsistent eine erhöhte Aktivität in Gehirnregionen, die an Belohnung, Motivation, Emotionsregulation und sozialer Kognition beteiligt sind, wenn Individuen Bilder ihrer romantischen Partner betrachten.

Interessanterweise aktivieren auch digitale Interaktionen mit potenziellen Partnern ähnliche Belohnungssysteme:

  • Das Dopamin-System reagiert auf Matches, Nachrichten und digitale Bestätigung

  • Die Antizipation des Kennenlernens aktiviert ähnliche neuronale Kreisläufe wie andere Belohnungserwartungen

  • Die Idealisierung, die online oft stärker ausgeprägt ist, kann durch die Deaktivierung kritischer Beurteilungsregionen des Gehirns verstärkt werden

Diese neurobiologischen Prozesse erklären teilweise, warum Online-Dating sowohl so befriedigend als auch frustrierend sein kann – unser Belohnungssystem reagiert stark auf die unvorhersehbaren Verstärkungsmuster, die für Dating-Apps charakteristisch sind.


Die Psychologie des Online-Dating-Prozesses

Der typische Online-Dating-Verlauf lässt sich als Zyklus verstehen, der spezifische psychologische Herausforderungen mit sich bringt.

Selbstpräsentation und Wahrnehmung: Das digitale Schaufenster

Anders als beim traditionellen Kennenlernen beginnt Online-Dating mit einer bewussten Selbstdarstellung durch Profile, Fotos und initiale Nachrichten. Die Forschung zeigt:

  • Die meisten Nutzer balancieren zwischen idealisierter und authentischer Selbstdarstellung

  • Kleinere "Optimierungen" (z.B. etwas vorteilhaftere Fotos, leichte Rundungen bei Größe oder Gewicht) sind normal und werden erwartet

  • Gravierende Täuschungen sind seltener als angenommen, da die meisten Nutzer ein persönliches Treffen anstreben

Die psychologische Herausforderung besteht darin, ein Profil zu erstellen, das authentisch ist und gleichzeitig die eigenen Stärken hervorhebt – ohne in die Falle einer vollständigen "Markenbildung" des Selbst zu tappen.

Interessanterweise ist romantische Liebe auch mit einer Deaktivierung in bestimmten Gehirnbereichen verbunden, insbesondere der Amygdala (Angstverarbeitung), Teilen des präfrontalen Cortex (Urteilsvermögen, soziale Bewertung, negative Bewertung) und des mittleren temporalen Cortex (negative Emotionen). Diese "Aussetzung des negativen Urteilsvermögens" hilft, die Idealisierung von Partnern und die reduzierte Vorsicht in der frühen Liebe zu erklären.

Entscheidungsprozesse: Filterkriterien und Heuristiken

Wie wählen Menschen online aus? Die Forschung identifiziert mehrere typische Entscheidungsstrategien:

  1. Ausschlussfilterung: Elimination potenzieller Partner aufgrund von Dealbreakern (oft demografische Merkmale wie Alter, Entfernung, Bildung)

  2. Signalinterpretation: Suche nach "Qualitätssignalen" in Profilen (Schreibstil, Fotoqualität, Kongruenz verschiedener Informationen)

  3. Ähnlichkeitsbewertung: Priorisierung von Profilen mit gemeinsamen Interessen, Werten und Hintergründen

Interessant ist, dass diese Mechanismen sowohl online als auch offline wirken – sie werden im digitalen Kontext jedoch expliziter und systematischer angewendet.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass erfolgreiche Matches häufig auf einer Balance von Ähnlichkeit in Kernwerten und Komplementarität in bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen basieren – genau jene Kombination, die moderne algorithmische Matching-Verfahren zu optimieren versuchen.

Kommunikationsdynamik: Vom ersten Kontakt zum Treffen

Der Übergang vom digitalen zum persönlichen Kontakt ist entscheidend und wissenschaftlich gut erforscht:

  • Die optimale Dauer der Online-Kommunikation liegt bei 2-3 Wochen – zu kurz riskiert mangelndes Vertrauen, zu lang fördert unrealistische Idealisierung

  • Der Wechsel zwischen Kommunikationskanälen (Plattform→ Textnachrichten → Telefonat → Treffen) signalisiert wachsendes Vertrauen und Interesse

  • Die erste persönliche Begegnung dient als "Realitätscheck" für die online gebildeten Erwartungen

Ein häufiges Phänomen ist die "Enttäuschungslücke" – die Diskrepanz zwischen der imaginierten Person und der Realität beim ersten Treffen. Die Forschung zeigt jedoch, dass diese Lücke kleiner wird, wenn:

  • Die Online-Kommunikation vielfältige Themen abdeckt

  • Telefonie vor dem ersten Treffen stattfindet

  • Realistische Erwartungen aktiv gepflegt werden

Geschlechtsspezifische Muster und ihre Evolution

Die Forschung identifiziert durchaus geschlechtsspezifische Unterschiede im Online-Dating-Verhalten:

  • Männer initiieren typischerweise häufiger Kontakte

  • Frauen sind selektiver bei der Auswahl von Matches

  • Männer reagieren stärker auf visuelle Reize, Frauen auf Statussignale und Kommunikationsstil

Interessanterweise legt die Forschung nahe, dass diese Unterschiede sowohl durch evolutionäre Prädispositionen als auch sozialstrukturelle Faktoren erklärbar sind. Die starke Abhängigkeit von WEIRD-Stichproben (Western, Educated, Industrialized, Rich, Democratic) erschwert die Unterscheidung zwischen wirklich universellen Aspekten romantischer Liebe und kulturspezifischen Manifestationen.

Mit zunehmender Gleichstellung können sich Geschlechtsunterschiede bei Partnerpräferenzen verringern. Ein kombinierter evolutionärer und sozialstruktureller Ansatz bietet ein umfassenderes Modell. Dies erkennt an, dass Partnerpräferenzen nicht festgelegt sind, sondern durch soziokulturelle Verschiebungen beeinflusst werden können, was auf eine Interaktion zwischen evolvierten Prädispositionen und Umweltfaktoren hindeutet.

Ermutigend ist, dass viele Plattformen an inklusiveren Erfahrungen arbeiten, die weniger auf traditionellen Geschlechterrollen basieren.


Wissenschaftlich fundierte Erfolgsstrategien für die Online-Suche

Die Forschung bietet konkrete, evidenzbasierte Empfehlungen für eine erfolgreiche Online-Dating-Erfahrung.

Profilgestaltung: Was die Wissenschaft empfiehlt

Erfolgreiche Profile zeichnen sich durch einige wissenschaftlich belegte Merkmale aus:

  • Fotos: Eine Kombination aus Porträt, Ganzkörperbild und Aktivitätsfotos erweist sich als optimal. Authentische Lächeln und leichte Kopfneigung erhöhen die Attraktivitätsbewertung. Gruppenfoto als zusätzliches, nicht als Hauptbild.

  • Selbstbeschreibung: Konkrete, spezifische Beschreibungen generieren mehr Interesse als generische Aussagen. Der "70/30-Mix" aus Selbstoffenbarung und Fragen/Gesprächsansätzen führt zu höheren Antwortquoten.

  • Länge und Stil: Moderat lange Profile (250-350 Wörter) werden am positivsten bewertet. Ein authentischer, leicht humorvoller Schreibstil generiert mehr qualitative Resonanz als rein formelle oder übertrieben humorvolle Texte.

Eine interessante Erkenntnis: Profile, die eine gewisse "selektive Vulnerability" (gezielt gewählte authentische Selbstoffenbarung) zeigen, werden als vertrauenswürdiger eingestuft und erhalten qualitativ hochwertigere Matches.

Kommunikationsstrategien: Timing, Inhalt, Stil

Die Wissenschaft hat auch die Kommunikationsdynamik im Online-Dating untersucht:

  • Erste Nachrichten: Personalisierte Nachrichten, die sich konkret auf Profilelemente beziehen, erzielen 40-60% höhere Antwortquoten als generische Grüße.

  • Timing: Die Antwortgeschwindigkeit signalisiert Interesse, aber zu sofortige Reaktionen können als übereifrig interpretiert werden. Der "Sweet Spot" liegt bei 20 Minuten bis 4 Stunden für frühe Interaktionen.

  • Eskalationsmuster: Erfolgreiche Gespräche folgen typischerweise einem Muster: Leichte Eröffnung → gemeinsame Interessen → tiefere Werte/Einstellungen → logistische Planung für persönliches Treffen.

Der richtige Zeitpunkt für das erste Treffen

Online-Dating ist heute die beliebteste Art, romantische Partner in den USA kennenzulernen. Beziehungen, die online begonnen haben, sind ebenso zufriedenstellend und stabil wie offline begonnene. Technologie kann schüchternen/introvertierten Personen helfen.

Die Forschung zum Übergang zwischen Online- und Offline-Kontakt ist eindeutig:

  • Der optimale Zeitraum für ein erstes Treffen liegt zwischen 2-3 Wochen nach dem initialen Kontakt

  • Kurze, ungezwungene erste Treffen (Kaffee, Spaziergang) führen zu geringerem Erwartungsdruck und höherer Erfolgsquote

  • Die "2-2-2-Regel" (2 Nachrichten pro Tag für 2 Wochen, dann 2 Stunden persönliches Treffen) korreliert mit positiven Outcomes

Interessant: Die Forschung zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Begegnung nicht primär von der "Chemie" beim ersten Treffen abhängt, sondern von der Kongruenz zwischen der online gebildeten Erwartung und dem realen Eindruck.

Die Wahl der richtigen Plattform: Eine Wissenschaft für sich

Neuere Studien deuten auf keinen signifikanten Unterschied in der Beziehungsqualität (Zufriedenheit, Intimität, Vertrauen, Engagement, Leidenschaft) bei Paaren hin, die sich online im Vergleich zu persönlich kennengelernt haben. Dies stellt frühere Stigmata in Frage, dass Online-Dating zu weniger echten oder qualitativ schlechteren Beziehungen führt.

Die Plattformwahl sollte auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und persönlicher Ziele erfolgen:

  • Für langfristige Beziehungen: Plattformen mit ausführlichen Profilen und wissenschaftsbasierten Matching-Algorithmen zeigen höhere Erfolgsraten für langfristige Bindungen.

  • Für spezifische demographische Gruppen: Spezialisierte Plattformen bieten oft qualitativ hochwertigere Matches durch gemeinsame Grundwerte und Lebenssituationen.

  • Für mehr Kontrolle über den Prozess: Plattformen, die detaillierte Filteroptionen und tiefergehende Informationen bieten, reduzieren den Screening-Aufwand für anspruchsvolle Nutzer.

Die Wissenschaft zeigt: Die Übereinstimmung von persönlichen Beziehungszielen mit dem Plattformdesign ist ein stärkerer Prädiktor für Erfolg als die reine Anzahl verfügbarer Profile.

Die Herausforderung digitaler Überlastung meistern

Die Forschung weist auf negative Auswirkungen hin, wie "Technoferenz" (Bevorzugung von Geräten gegenüber Partnern), durch soziale Medien ausgelöste Eifersucht und oberflächliche/unpersönliche Kommunikation, die Beziehungen schaden können. Phubbing (Ignorieren des Partners zugunsten des Telefons) ist mit geringerer Beziehungszufriedenheit und erhöhter Einsamkeit verbunden.

Wissenschaftlich fundierte Strategien gegen digitale Überlastung beim Dating:

  • Bewusste Zeitfenster für die App-Nutzung statt kontinuierliches Checking

  • Begrenzung der aktiven Gespräche auf 3-4 gleichzeitig

  • Regelmäßige "Digital Detox"-Phasen zur Neukalibrierung der Erwartungen

  • Fokus auf Qualität statt Quantität der Interaktionen


Fazit: Digitale Wege zu echter Liebe

Die Wissenschaft zeichnet ein überwiegend positives Bild des Online-Datings. Die Forschungslage belegt, dass digitale Wege des Kennenlernens zu ebenso erfüllenden, stabilen und authentischen Beziehungen führen können wie traditionelle Begegnungen. Der entscheidende Faktor ist nicht das Medium selbst, sondern wie wir es nutzen.

Online-Dating bietet einzigartige Vorteile: eine beispiellose Ausweitung des potenziellen Partnerpools, die Möglichkeit, Menschen mit spezifischen gemeinsamen Interessen oder Werten zu finden, und eine effiziente erste Filterung – alles Faktoren, die das Potenzial für qualitativ hochwertige Matches erhöhen.

Technologie ist weder inhärent gut noch schlecht für Beziehungen – sie ist sehr wirkungsvoll und ihre Auswirkungen werden weitgehend dadurch bestimmt, wie sie genutzt wird.

Die wichtigsten wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Online initiierte Beziehungen sind qualitativ gleichwertig zu offline begonnenen.

  2. Der Erfolg hängt von der Authentizität, klaren Intentionen und bewussten Nutzungsstrategien ab.

  3. Die Übereinstimmung von persönlichen Zielen mit der Plattformwahl ist entscheidend.

  4. Der zeitnahe Übergang vom digitalen zum persönlichen Kontakt fördert realistische Erwartungen.

  5. Technologie sollte als Werkzeug zur Initiierung von Beziehungen betrachtet werden, nicht als deren Ersatz.

Letztlich zeigt die Wissenschaft, dass Online-Dating das ist, was wir daraus machen – ein mächtiges Werkzeug, das bei bewusster Nutzung die Chancen erhöhen kann, jenen Menschen zu finden, mit dem eine tiefe, erfüllende Verbindung möglich ist.


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Zuletzt aktualisiert: vor 1 Tag Veröffentlicht: vor 1 Tag

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